Wie kann man das Problem hoher Latenzen und langer Ladezeiten in China lösen?

Chinesische Nutzer, die auf in Europa oder Amerika betriebene Websites, Applikationen oder Dienste zugreifen möchten, müssen viel Geduld mitbringen, da der Zugriff meist mit sehr langen Ladezeiten verbunden ist. Daraus wird gerne die Schlussfolgerung gezogen, dass die geografische Distanz und die daraus resultierenden hohen Latenzen zwischen dem chinesischen Nutzer und der westlichen Anwendung dafür verantwortlich ist. Doch sind Entfernung und Latenz überhaupt ein signifikanter Faktor für diese langen Ladezeiten?

Die Latenzen sind nicht das Problem

Beim Zugriff aus China auf einen Server in Europa oder in Amerika erwartet man üblicherweise eine Latenz von etwa 200 bis 300 Millisekunden. Unter der Annahme, dass diese Paketlaufzeiten die primäre Ursache für die langen Ladezeiten sind, sollten eine Reduzierung der geografischen Distanz zu einer deutlichen Verbesserung der Performance führen. Dies lässt sich beispielsweise realisieren, indem man die zugehörige Anwendung auf einem Server in der Nähe China, etwa in Hongkong, Taiwan, Macau oder Singapur, betreibt. Dadurch reduziert sich die erwartete Latenz auf 50 bis 100 Millisekunden, was eine signifikante Optimierung darstellt. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass eine geografische Annäherung nahezu keine Performance-Verbesserung bietet. Ladezeiten von weit über 10 Sekunden sind beim Zugriff eines chinesischen Nutzers auf einen Server in Hongkong, Taiwan, Macau oder Singapur weiterhin üblich.

Die Schlussfolgerung, dass die geografische Distanz und somit die hohen Paketlaufzeiten vorrangig für die schlechte Performance von westlichen Anwendungen verantwortlich sind, stellt sich in der Praxis also als Trugschluss heraus. Vielmehr gibt es andere Faktoren, die sich viel stärker auf die Ladezeiten auswirken.

Der wahre Grund: enorme Paketverluste an der chinesischen Firewall

Aufgrund der Zensur in China müssen sämtliche Datenpakete, die die Landesgrenzen Chinas passieren wollen, die chinesische Firewall durchlaufen und werden von dieser ausführlich inspiziert. Selbst für ein Datenpaket, das schlussendlich von der Firewall durchgelassen wird, kostet dieser Prüfungsprozess einiges an Zeit. Hinzu kommt, dass der chinesischen Firewall oftmals nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, um alle eingehenden Datenpakete sofort zu überprüfen. Gerade zu Stoßzeiten kommt es deshalb zu längeren Wartezeiten an der chinesischen Firewall und dies führt schnell dazu, dass 20 bis 40 Prozent aller Datenpakete verloren gehen.

Bei solch hohen Paketverlustraten spielt die eigentliche Latenz zwischen dem Nutzer in China und der westlichen Anwendung eine untergeordnete Rolle. Selbst eine vergleichsweise geringe Paketlaufzeit summiert sich schnell auf, sofern das Datenpaket mehrfach angefragt und übertragen werden muss, bevor es schlussendlich den Nutzer in China erreicht. Besonders davon betroffen sind Websites, für deren Inhalte (vor allem Bilder und Videos) mehrere Tausend Datenpakete übertragen werden müssen.

Wieso schwanken die Ladezeiten meiner Website in China stark?

Beim Auswerten der Performance einer Website oder Applikation für chinesische Nutzer sollte man sich nicht auf eine Momentaufnahme verlassen. Denn die Ladezeiten hängen stark von der Auslastung der chinesischen Firewall in diesem Moment ab. Im Idealfall hätte die Überprüfung durch die chinesische Firewall nahezu keine spürbaren Auswirkungen auf die Performance. Aufgrund der mangelnden Ressourcen tritt dieser Idealfall allerdings selten ein.

Nichtsdestotrotz ist die chinesische Firewall nicht immer gleich stark überlastet. Die Performance westlicher Anwendungen leidet besonders während Überschneidungen der Hauptarbeitszeiten in China mit denen in Europa oder Amerika. In diesen Zeiträumen gibt es hohe Mengen an Datenpaketen, die von der chinesischen Firewall geprüft werden müssen und somit steigen die Wartezeiten und Paketverlustraten an der Firewall. Außerhalb solcher Stoßzeiten nimmt der Einfluss der chinesischen Firewall auf die Ladezeiten deutlich ab und die Gesamtperformance kann akzeptabel oder sogar recht gut sein. Deshalb sollten Performance-Auswertung in China über einen längeren Zeitraum und bestenfalls von mehreren Standorten aus stattfinden.

Hosting der Website in der Hongkong, Taiwan, Macau oder Singapur löst das Problem nicht

Das Hosting der Anwendung in geografischer Nähe zu China reduziert zwar die Latenzen, aber bietet keinerlei Verbesserung für die Paketverluste an der chinesischen Firewall. Denn Standorte wie Hongkong, Taiwan, Macau oder Singapur befinden sich außerhalb der chinesischen Landesgrenzen und sämtliche Datenpakete, die nach China geschickt werden, müssen weiterhin die chinesische Firewall durchlaufen. Die reduzierten Latenzen sind bei den hohen Paketverlustraten für die Gesamtperformance nahezu irrelevant.

Wie kann ich dauerhaft eine sehr gute Performance meiner Anwendung in China sicherstellen?

Das Hosting der Website in der Nähe Chinas bietet keine wirkliche Verbesserung der Ladezeiten, da dadurch nur die Latenz zwischen der Anwendung und dem Nutzer in China reduziert wird. Stattdessen muss eine dauerhafte Lösung eine Reduzierung der Wartezeiten und der hohen Paketverlustraten an der chinesischen Firewall bieten.

Ein möglicher Lösungsansatz ist der Betrieb der Website auf einem Server, der direkt auf dem chinesischen Festland steht. Somit können die Datenpakete direkt vom Server an den Nutzer in China geschickt werden, ohne dass diese noch von der chinesischen Firewall inspiziert werden. Eine Hostinglösung mit Serverstandort in China setzt die Beantragung einer ICP-Lizenz voraus, was nur für Firmen mit einer Niederlassung in China möglich ist. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass der Server in China aus dem Westen zuverlässig erreichbar ist. Denn die chinesische Firewall kann sich ebenfalls negativ auf den Datentransfer in diese Richtung auswirken und dadurch verschiebt sich die Performance-Problematik lediglich, sodass der Zugriff durch Ihre IT-Administratoren und Ihre Webagentur auf den Server kaum möglich ist.

Alternativ müsste ein stabiler Datentransfer durch die chinesische Firewall, insbesondere zu den Stoßzeiten, sichergestellt werden. Dies kann lediglich durch speziell darauf ausgelegte Backbones, Netzwerke und Internetanbindungen erzielt werden. Die Vorteile dieses Lösungsansatzes liegen darin, dass keine ICP-Lizenz benötigt wird und dass die geografische Distanz zwischen Nutzer in China und der westlichen Anwendung kaum noch eine Rolle spielt. Die große Herausforderung liegt darin, überhaupt einen Anbieter in Europa oder Amerika zu finden, der solch einen Service zu bezahlbaren Konditionen anbietet.

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